Veranstaltung: | Landesparteitag |
---|---|
Tagesordnungspunkt: | Anträge |
Antragsteller*in: | KV Flensburg; LAG Soziales (dort beschlossen am: 26.09.2019) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 27.09.2019, 12:15 |
B 2: Schaffung von Rahmenbedingungen für flexible Kinderbetreuungsangebote in Schleswig-Holstein
Antragstext
Schaffung von Rahmenbedingungen für flexible Kinderbetreuungsangebote in
Schleswig-Holstein
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Schleswig-Holstein setzt sich dafür ein, die Vereinbarkeit
von Beruf und Privatleben durch eine Förderung flexibler Betreuungsangebote für
Kinder weiter zu stärken. Hierzu werden finanzielle und rechtliche
Rahmenbedingungen geschaffen, die es den Trägern in den Kommunen erleichtern,
entsprechende Angebote zu schaffen, z.B.:
- Finanzielle Anreize für die Schaffung von Angeboten für Notfall- und
Randzeiten-Betreuung unabhängig von der Zahl der Kinder, die diese
Angebote nutzen, beispielsweise durch eine Abschaffung der Unterteilung in
Kern- und Randzeiten.
- Änderung der Maximalstundenzahl pro Woche von 50h pro Kind auf eine
Maximalstundenzahl von 217h pro Kind und Monat (Die durchschnittliche
Stundenzahl pro Monat bleibt in etwa gleich, wird nur von „pro Woche“ auf
„pro Monat“ umgerechnet).
- Änderung der Bewertung von Schlafzeiten der Kinder. Diese sollten nicht
als volle Betreuungsstunden für das Kind gezählt werden.
- Ermöglichung von Familiengruppen auch in der Nachmittagsbetreuung, damit
Krippen-, Elementar- und Hortkinder dort gemeinsam betreut werden können.
- Die Freigabe der Nutzung von Kita-Räumen durch Tagesmütter-/Tagesväter
oder durch Eltern in den Randzeiten.
- Vorantreiben der gesellschaftlichen Akzeptanz von Fremdbetreuung während
der Arbeitszeit der Eltern auch zu bisher ungewöhnlichen Uhrzeiten durch
eine öffentlichkeitswirksame Kampagne. Letztere sollte u.a. Best-Practice-
Beispielen aus anderen Ländern (z.B. Dänemark, Frankreich etc.) enthalten,
in denen das Thema selbstverständlicher diskutiert wird.
Begründung
Mit der Reform des Kita-Gesetzes wurde ein großes Projekt in Angriff genommen, das in zahlreichen Kommunen zu einer finanziellen Entlastung von Eltern und zu einer verbesserten Betreuungsqualität führen wird. Die Kommunen erhalten darüber hinaus Geld, welches dringend für den weiteren Ausbau der Betreuungsinfrastruktur benötigt wird. Ein Aspekt, der bisher noch nicht bearbeitet wurde, ist der Ausbau flexibler Kinderbetreuungsangebote. Vor dem Hintergrund des Strukturwandels in der Arbeitswelt und der damit zusammenhängenden abnehmenden Trennschärfe zwischen Erwerbs- und Familienleben, leiden Familien häufig unter Zeitkonflikten (BMFSFJ 2012; Heitkötter/Zohren 2019). Insbesondere alleinerziehende Eltern und solche mit atypischen Arbeitszeiten (z.B. Schichtdienst, regelmäßige Überstunden, Nachtdienst, Wochenendarbeit) stehen vor der Herausforderung, passende Betreuungsangebote für ihre Kinder zu finden. Dies gilt vor allem für pflegende und soziale Berufe, in denen überwiegend Frauen beschäftigt sind, die bisher auch immer noch den Hauptanteil der „Familienarbeit“ übernehmen. Noch dominiert ein zeitlich starres, an Normalarbeitszeiten orientiertes Angebot, so dass Eltern in der Regel ein komplexes „Betreuungspatchwork“ basteln müssen, um Beruf und Familie in Einklang zu bringen. Schon kleinste Abweichungen im Tagesablauf können die Organisation des Familienalltags aus dem Gleichgewicht bringen.
Ein flexibles Betreuungsangebot umfasst längere Öffnungszeiten, eine flexible Inanspruchnahme der Betreuungszeiten (Umfang und unterschiedliche Zeitfenster), Möglichkeiten der Abend-, Nacht- und Wochenendbetreuung, Ferienangebote sowie Notfallbetreuung in unvorhergesehenen Fällen. Es braucht somit unterschiedliche und ineinandergreifende Betreuungsmodelle, wobei Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflegepersonen auf gegenseitige Unterstützung oder auf Vernetzung und Kooperation mit anderen Trägern angewiesen sind.
Natürlich sind bedarfsgerechte zeitliche Betreuungsangebote stets vor dem Hintergrund der Sicherstellung des Kindeswohls, insbesondere im Sinne einer kontinuierlichen und stabilen Erzieher*innen-Kind-Beziehung, zu gewährleisten. Bisher lässt sich nicht beobachten, dass eine Ausweitung der zur Verfügung stehenden Betreuungszeiten dazu führt, dass die Kinder insgesamt länger betreut werden, vielmehr werden die Betreuungsstunden auf der täglichen Zeitachse verschoben (Pfahl et al. 2018). Ein Beispiel aus Flensburg wäre ein Angestellter in einem Eiscafé, der bis in die Abendstunden arbeitet und durch das flexible Betreuungsangebot der Kita Kiwi die Möglichkeit hat, sein Kind erst um 11 Uhr (statt 2-3 Stunden früher) in die Einrichtung zu bringen, wo es dann bis nach Feierabend (19 Uhr) betreut wird.
Im Koalitionsvertrag heißt es:
„Auch in Zukunft werden wir uns für einen bedarfsgerechten Ausbau an Betreuungsangeboten einsetzen. Um eine verlässliche Förderung der Kinder und eine optimale Vereinbarkeit von Familie und Beruf sicherzustellen, ist es notwendig, dass die Eltern vor Ort passgenaue Angebote in Anspruch nehmen können. Dabei bedarf es auch ausreichender Ganztags- und Randzeitenangebote. Hier ist die Versorgung im Land noch sehr unterschiedlich. Daher wollen wir den weiteren Ausbau von Angeboten bei freien und kommunalen Trägern fördern, betriebliche Angebote unterstützen und Initiativen für Notfall- und Randzeitenbetreuung stärken.“
Im Ländervergleich zeigt sich, dass Schleswig-Holstein über einen vergleichsweise geringen Anteil von flexiblen Betreuungsangeboten verfügt. Etwas mehr als die Hälfte der Kitas schließen vor 16:30 Uhr, 40 Prozent schließen zwischen 16:30 und 18 Uhr und nur 1,4 Prozent haben nach 18 Uhr geöffnet (Ländermonitor 2017). Die betriebsnahe Kita Kiwi in Flensburg bildet eine Ausnahme in dem sie bedarfsorientierte Betreuungszeiten anbietet, die sogar die Möglichkeit der Übernachtung von Kindern einschließt. Während dieses Modell auf eine betriebliche Finanzierung angewiesen ist, ist die Bereitstellung von Notfall- und Randzeitenbetreuungsangeboten für den Großteil der Einrichtungen unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten bei einer pro-Kopf Finanzierung nicht rentabel, es bedarf daher stärkerer finanzieller Anreize durch das Land.
Quellen:
- Pfahl, Svenja; Rauschnick, Laura; Reuyß, Stefan; Rinderspacher, Jürgen P. (2018): Kinderbetreuung über Nacht. Kritische Bestandsaufnahme einer institutionellen Kinderbetreuung rund um die Uhr aus der Sicht von Beschäftigten, Kindern, pädagogischen Fachkräften und betrieblichen Akteuren. Hans-Böckler-Stiftung. Online verfügbar unter: https://www.boeckler.de/pdf/p_study_hbs_382.pdf (zuletzt aufgesucht September 2019).
- BMFSFJ (2012): Zeit für Familie: Achter Familienbericht: Familienzeitpolitik als Chance einer nachhaltigen Familienpolitik. Online verfügbar unter: https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/service/publikationen/zeit-fuer-familie---achter-familienbericht/74968?view=DEFAULT (zuletzt aufgesucht September 2019).
Heitkötter, Martina; Zohren, Heinz (2019): Kommunale Familienzeitpolitik – Ansätze zeitgerechter Planung für Familien am Beispiel der Stadt Aachen. In: Henckel, Dietrich; Kramer, Caroline: Zeitgerechte Stadt. Konzepte und Perspektiven für die Planungspraxis.
Ländermonitor Frühkindliche Bildung. Online verfügbar unter: https://www.laendermonitor.de/de/vergleich-bundeslaender-daten/personal-und-einrichtungen/kita-strukturen/oeffnungszeiten-von-kitas/?tx_itaohyperion_pluginview%5Baction%5D=chart&tx_itaohyperion_plugin-view%5Bcontroller%5D=PluginView&cHash=5568a90f539a471e23515df35d03745d (zuletzt aufgesucht September 2019).
Unterstützer*innen
Zustimmung
- Carola Köster
- Nadine Mai
- Martin Drees
- Achim Diekmann
- Petra Kärgel
Kommentare